Rosalías "LUX": Die Heiligen, die ihr Album inspirierten

Rosalías "LUX": Die Heiligen, die ihr Album inspirierten

- Anna Pejsek
Lesezeit: 5 min

Rosalía (33) hat mit ihrem vierten Album "LUX" ein außergewöhnliches Projekt konzipiert. "LUX" hat einen neuen Rekord aufgestellt und innerhalb der ersten 24 Stunden 42,1 Millionen Streams erreicht. Es ist damit das meistgestreamte Album einer spanischsprachigen Künstlerin. Anders als andere Pop-Alben verbindet Rosalía Einflüsse aus der Klassik und der Oper mit einem modernen Sound. Obwohl die Sängerin "nur ein bisschen Spanisch, Katalanisch und ein bisschen Englisch" spricht, wie sie bodenständig in einem Interview preisgab, singt Rosalía außerdem auf Deutsch, Japanisch, Italienisch, Hebräisch, Arabisch, Sizilianisch, Ukrainisch, Latein, Portugiesisch und Französisch. Jede Sprache steht dabei symbolisch für eine Heilige oder Mystikerin, die Rosalía inspiriert hat. Hier eine Übersicht.

Nach dem Opener "Sexo, Violencia y llantas", der vergleichbar mit einer Ouvertüre einer Oper ist, folgt "Reliquia". "Reliquia" ist inspiriert von der Heiligen Teresa von Jesus, besser bekannt als Heilige Teresa von Ávila (1515–1582), einer spanischen Nonne, deren Gliedmaßen nach ihrem Tod amputiert, geteilt und zu Reliquien gemacht wurden, die auf der Welt verteilt sind. Rosalía besingt genau diese Vorstellung, wie sie Teile ihres Körpers bereits auf der Welt verloren hat: "Ich verlor meine Hände in Jerez und meine Augen in Rom [...] Aber mein Herz gehörte nie mir allein/ Ich gebe es immer fort/ Nimm einen Teil von mir/ Bewahre ihn auf, wenn ich nicht da bin".

Im darauffolgenden Song "Divinize" wird diese Idee fortgeführt, wo es heißt: "Jeder Wirbel offenbart ein Geheimnis/ Bete auf meiner Wirbelsäule, sie ist ein Rosenkranz." Und auch im Song "Sauvignon Blanc" spielt Teresa von Ávila eine Rolle, die sich zu Lebzeiten dazu entschied, auf materielle Dinge zu verzichten: "Ich werde meine Jimmy Choos wegwerfen, ich werde mein Porzellan fallen lassen/ Und ich werde mein Klavier verschenken."

Zurück zum dritten Song des Albums: "Porcelana". Der Song, der stilistisch etwas aus der Reihe tanzt und Einflüsse von Flamenco und Hip-Hop zeigt, ist inspiriert von der japanischen Nonne und Dichterin Ryōnen Gensō. Die Geschichte der im 17. Jahrhundert lebenden Nonne hat Rosalía besonders bewegt, wie sie im Interview mit Zane Lowe (52) verriet. Ryōnen Gensō, die aus einer Adelsfamilie stammte, war für ihre Intelligenz, aber vor allem für ihre Schönheit bekannt. Nach zwei arrangierten Ehen entschied sie sich, ins Kloster zu gehen, wurde dort aber aufgrund ihrer Schönheit abgelehnt. Als Reaktion darauf verbrannte sich Ryōnen Gensō ihr Gesicht. In "Porcelana" greift Rosalía diesen Leidensdruck, der für Frauen heute noch immer eine Rolle spielt, auf. Sie singt auf Japanisch: "Ich werde die Schönheit ablegen/ Bevor du mich ruinierst."

Ähnlich schockierend ist die Geschichte hinter "Novia Robot", ein Titel, der nur auf der physischen Ausgabe des Albums zu finden ist. Dahinter steckt die Geschichte von der taoistischen Meisterin und chinesischen Dichterin Sun Bu'er (1119–1182). Sun Bu'er ruinierte ebenfalls ihre Schönheit, indem sie sich Öl ins Gesicht goss. Damit wollte sie Belästigungen von Männern entgehen, während sie eine Reise von Shandong nach Luoyang unternahm.

Mit "Mio Cristo Piange Diamanti" bekommen die Zuhörer ein Stück, welches komplett auf Italienisch gesungen ist. Das ist bewusst so gewählt, da es auf die Beziehung zwischen dem Heiligen Franziskus und der Heiligen Klara von Assisi aufmerksam machen soll. Das Besondere: Die Beziehung ist vielmehr auf Freundschaft und gegenseitige Unterstützung ausgelegt, anstatt auf besitzergreifende Liebe. Die spirituelle Vereinigung, ganz ohne körperlichen Kontakt. Sie singt: "Mein lieber Freund/ Liebe, die man sich nicht auswählt/ Und nicht fallen lässt/ Mein lieber Freund/ Mit dir ist die Schwerkraft anmutig/ Und die Anmut ist schwer".

Mit "Berghain" kommen wir zum teilweise deutschen Titel des Albums. Anders als vermutet, steckt hier nicht unbedingt der berühmte Berliner Club hinter dem Namen, sondern es spielt direkt auf die ursprüngliche Bedeutung des deutschen Wortes „Hain” eines „Berges” an. Rosalía sagte: "Es bedeutet eine Gruppe von Bäumen im Wald, und ich habe das Gefühl, dass wir alle diese Labyrinthe in unseren Köpfen haben, diese Wälder aus Gedanken, in denen wir uns verlieren können." Inspiriert wurde die Sängerin von der Äbtissin Hildegard von Bingen. Hildegard von Bingen war für viele Dinge berühmt, darunter ihre göttlichen Visionen, die sie einst so beschrieb: "dass sich der Himmel öffnete und ein feuriges Licht von außergewöhnlicher Helligkeit mein gesamtes Gehirn durchdrang und mein ganzes Herz und meine Brust entflammte". Rosalía greift diese Beschreibung in ihren deutschen Lyrics auf: "Die Flamme durchdringt mein Gehirn/ Wie ein Blei-Teddybär/ Ich bewahre viele Dinge in meinem Herzen/ Deshalb ist mein Herz so schwer."

Bei "La Yugular" greift Rosalía die Geschichte der "Mutter des Sufismus" Rābiʿa al-ʿAdawiyya auf. Der Titel ist inspiriert von einem Vers aus dem Koran, der besagt, dass Gott dir näher ist als deine Halsschlagader (engl. "jugular vein"), was Rosalía in der ersten Zeile des Songs zitiert: "Du, der du weit weg bist/ Und doch näher/ Als meine eigene Halsschlagader." Die Intention des Songs liegt darin, die islamische Idee auszudrücken, dass wir alle eine Seele sind. Rosalía sagte bei der New York Times dazu: "Ich existiere in der Welt, und die Welt existiert in mir. Ich hoffe, dass meine Liebe pluralistisch und unendlich ist. So wie ich hier bin und alles hier sein kann. Wie kann ich das in einem Lied ausdrücken? Ich habe es versucht. Das findet man in 'La Yugular'. Darum geht es darin."

Mit dem letzten Song "Magnolias" schließt sich der Kreis. Das Stück ist inspiriert von der hinduistischen Mystikerin Anandamayi Ma und reflektiert über die eigene Sterblichkeit. Anandamayi Ma war eine indische Heilige, die für ihre Hingabe verehrt wurde. Am Tag ihrer Beerdigung kamen Tausende und legten ein Bad aus Blumen nieder. Es soll ein Fest voller Frieden und Freude gewesen sein. Rosalía stellte im Interview mit Zane Lowe ihre eigene Beerdigung infrage und reflektiert: "Sollte es nicht lieber ein Tag der Freude sein?" Sie bezieht sich auf ein Tattoo, welches sie auf ihrem Rücken hat. Dabei handelt es sich um ein Zitat ihres Lieblingsautors Manuel Molina, der sagte: "Niemand soll weinen, wenn ich sterbe. Es ist schöner zu singen, auch wenn man mit Trauer singt."

Das Albumcover von "LUX"
Sony Music
Das Albumcover von "LUX"
Rosalía in ihrem Musikvideo zu "Berghain"
Sony Music
Rosalía in ihrem Musikvideo zu "Berghain"
Rosalía auf der Bühne, während sie "Reliquia" performt
Sony Music
Rosalía auf der Bühne, während sie "Reliquia" performt
Moderator Zane Lowe, Oktober 2018
Getty Images
Moderator Zane Lowe, Oktober 2018
Rosalías viertes Studioalbum trägt den Titel "LUX"
Sony Music
Rosalías viertes Studioalbum trägt den Titel "LUX"
Die Vinyl-Ausgabe von Rosalías "LUX" besitzt drei weitere Songs
Instagram / rosalia.vt
Die Vinyl-Ausgabe von Rosalías "LUX" besitzt drei weitere Songs
Hildegard von Bingen, Äbtissin und Komponistin des 12. Jahrhunderts, in einer Gravur von W. Marshall
Getty Images
Hildegard von Bingen, Äbtissin und Komponistin des 12. Jahrhunderts, in einer Gravur von W. Marshall
Rosalía singt auf ihrem Album "LUX" in 13 Sprachen
Instagram / rosalia.vt
Rosalía singt auf ihrem Album "LUX" in 13 Sprachen
Rosalía, Sängerin
Getty Images
Rosalía, Sängerin
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